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Im Überfluss

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Ich bin mit dem Bus auf dem Weg zur Arbeit. Heute haben wir Frauenfrühstück. Deshalb möchte ich bei der Bäckerei in der Nähe der Pfarre noch ein Brot kaufen. Doch schon im Bus fällt mir ein, dass heute mein Rucksack vollgestopft ist mit Dingen und mein Geld ganz unten begraben. Oh nein!
Ich möchte keinen Stau an der Kassa der Bäckerei verursachen. Gott, es wäre voll super, wenn du mir jemanden über den Weg schicken könntest, den ich kenne, sodass mir schon vorher jemand das Geld raussuchen kann. Oder vielleicht schenkt mir ja rein zufällig jemand auf dem Weg Geld. Das ist wohl sehr unwahrscheinlich. Aber als ich das letzte Mal Brot kaufen war, hat ein anderer Kunde mein Brot mitbezahlt. Das war sehr nett. Aber gleich davon ausgehen, dass das wieder passiert kann ich ja wohl auch nicht... Cool wäre natürlich auch, wenn ich meine Arbeitsassistentin zufällig schon am Weg treffen würde, obwohl wir uns erst in der Arbeit verabredet haben... Diese Gebete und Gedanken schießen mir durch den Kopf.
Die Busfahrt geht vorüber, ohne dass ein Wunder passiert und ich fahre aufgeregt mit meinem Rolli zur Bäckerei. Hoffentlich wird es keine peinliche Situation...
Ich komme näher und wen sehe ich durch das Fenster gemütlich einen Kaffee trinken? Meine Arbeitsassistentin. Übermütig stürme ich in das Gebäude und rufe ihr quer durch die Bäckerei zu: "Du bist gerade mein lebendiger Gottesbeweis!" - "Oh, das muss ich mir merken, denn das hat mein ganzes Leben noch nie jemand zu mir gesagt und wird wahrscheinlich auch mein restliches Leben nie wieder jemand zu mir sagen!", ruft sie gerührt aus.
Sie kennt sich in meinem Rucksack aus und kramt geschickt das Geld hervor und wir kaufen das Brot. Auch der restliche Arbeitstag verläuft gut. Was ich noch nicht ahne ist, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist.
Auf dem Heimweg habe ich es eilig, weil ich zu Hause schon erwartet werde. Deshalb nehme ich nicht den schönen ruhigeren weg am Fluss entlang, sondern den Gehweg neben der Straße. Plötzlich hupt es neben mir. Ich schaue mich um, weil ich das Gefühl habe, dass das Hupen mir gegolten hat. Aber ich kann nicht ausmachen, welches Auto hier gehupt hat, denn es ist so viel Verkehr. Doch plötzlich sehe ich, dass ein Auto stehen geblieben ist. Oje, ist da vielleicht ein Unfall passiert? Und dann sehe ich, wie eine Frau über die Straße läuft, direkt auf mich zu. Sie hat 20 € in der Hand und will sie mir geben. Da ich aber nicht so schnell greifen kann, steckt sie mir das Geld in die Jackentasche und sagt in gebrochenem Deutsch: "Für dich für Kaffee." Ich kann gerade noch DANKE sagen, schon ist sie weg und hüpft wieder auf den Beifahrersitz des Autos, das auf der Straße stehen geblieben ist. Mir fällt wieder mein morgendliches noch ungläubiges Gebet ein, dass mir ja vielleicht jemand Geld schenken will und ich kann wirklich nicht fassen, wie ernst Gott meine Gebete nimmt und zwar im Überfluss, denn es wäre ja jetzt gar nicht mehr nötig gewesen. Ich habe ja das Brot schon erfolgreich gekauft.

Elfriede Demml (36), Pastoralreferentin in Graz, 21. April 2023
Erschienen in:
Pfarrblatt steirisches Salzkammergut, Juli/August 2023

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