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Geknackt

 

Grundsätzlich sind ja die Busfahrer meine „best friends“. Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen… Vor ca. zwei Jahren bin ich auf dem Weg in die Arbeit einem Busfahrer begegnet, der mich mit dem Rollstuhl nicht alleine mitnehmen wollte und der mir auch gesagt hat, es sei nicht seine Aufgabe, mir die Rampe aufzuklappen. Ich habe erkämpft, dass er mich trotzdem mitnimmt, aber in mir hat es gekocht. Als ich wieder ausgestiegen bin, bin ich wütend die Straße entlang gefetzt und habe gebetet: „Jesus, ich würde ihn am liebsten zum Mond schießen, aber du sagst ‚segnet eure Verfolger, verflucht sie nicht‘, also segne ihn. Segne seine Beziehung zu seiner Freundin – wahrscheinlich hat er eh gar keine, so wie der drauf ist – aber falls er doch eine hat, segne sie.“ So und so ähnlich habe ich eine Zeit lang gebetet. Das war keinesfalls eine friedliche Unterhaltung, sondern eine sehr aufgewühlte. Aber nach und nach ist in mir Friede eingekehrt und der feste Entschluss, diesen Mann „zu knacken“. Bei den nächsten Begegnungen habe ich mein Bestes gegeben, freundlich zu ihm zu sein. Lange hat das keine sichtbare Wirkung gezeigt. Es war so etwas wie Waffenstille zwischen uns. Aber vor ein paar Wochen ist das Wunder passiert. Er hat mich begrüßt, als wären wir alte Kumpels. :-)

 

Elfriede Demml, Pastoralreferentin in Graz und Rollstuhlfahrerin, Dezember 2022
Erschienen in: Pfarrblatt steirisches Salzkammergut, Marz/April 2023

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