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Bereitet dem Herrn den Weg!

 

Wir haben gerade im Advent immer wieder das Evangelium gehört: „Bereitet dem Herrn den Weg!“ Nun werden sich einige fragen, wie das geht, dem Herrn den Weg bereiten. Ehrlich gesagt glaube ich, dass wir das nur lernen können, wenn wir zuerst erfahren, dass er uns den Weg bereitet. Deshalb möchte ich den Satz ganz frech umdrehen.

Ich sage heute nicht: „Bereitet dem Herrn den Weg!“, sondern ich sage: „Herr, bereite du uns den Weg!“ Ihr werdet es nicht glauben, dass tut er wirklich, wenn wir ihn darum bitten. Das erlebe ich täglich. „Herr, bitte schick mir einen Engel, der mir die Tür öffnet.“ oder „Gott, bitte schick mir einen Engel, der mich wieder aus dem Schnee rauszieht.“ Das ist mir echt schon ein paarmal passiert. Einmal wollte ich im Winter spät am Abend von einer Chorprobe nachhause fahren. Ich war noch ganz begeistert von den schönen Liedern, die wir gesungen haben und trällerte vor mich hin. Doch das Trällern verging mir schnell. Während der Chorprobe hatte es scheinbar ununterbrochen geschneit, denn es lag sehr viel Schnee auf der Straße und noch immer schneite es. Alle anderen waren schon längst weg und so versuchte ich, alleine in der Finsternis den Weg zu finden, wo am wenigsten Schnee lag. Doch es dauerte nicht lange und ich steckte mit meinem Elektrorollstuhl im Schnee fest. Ich kam weder vor noch zurück. Finsternis, Kälte, Schneeflocken die mich langsam bedeckten umgaben mich. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen und Handy hatte ich auch keines. Eigentlich höchste Zeit in Panik zu verfallen. Doch irgendwie hatte ich trotz der unglücklichen Lage einen tiefen Frieden und ein tiefes Vertrauen in mir. Ich wusste, es wird einer kommen und mich retten. „Gott, bitte schick mir einen Engel, der mich da wieder rauszieht!“ dachte ich. Und dann schaltete ich erst mal meine Warnblinkanlage ein und dann erinnerte ich mich an das SOS Signal und probierte es mit meiner Hupe. Nichts geschah. Ich schrie laut um Hilfe. Meine Stimme hallte zwar an den Mauern wider, aber keine Reaktion. Ich wartete. Plötzlich bog ein Auto um die Ecke und stellte sich auf einen Parkplatz in der Nähe. Keine Ahnung, was die hier mitten in der Nacht wollten (außer mich aus dem Schnee rausziehen natürlich :-) ) aber ich schrie und hupte nochmal laut. Der Mann wollte schon vom Auto weg gehen. Aber plötzlich erblickte er mich und stapfte durch den Schnee bis zu mir. Er zog mich aus dem Schnee raus und schob mich bis zur nächsten Straße, die geräumt war. Er hat mir den Weg bereitet und ich bin sicher, er war nicht zufällig am späten Abend auf diesem einsamen Parkplatz. Ich bin sicher, dass Gott ihn mir geschickt hat. Ja, das ist nur eine von vielen Geschichten, die ich erzählen könnte, wo Gott mir den Weg bereitet hat.

Das klingt jetzt, als würde ich Gott nur als meinen Diener ansehen, der sich um meine Bedürfnisse kümmert. Ja, ich habe in meinem Leben Gottes Liebesdienst erfahren. Ich habe erfahren, dass er mir den Weg bereitet. Und ich darf dieses Geschenk annehmen. Aber genau in diesem Geschenk steckt auch ein Ruf: „Elfriede, ich liebe dich und ich liebe die Menschen, ich habe Sehnsucht nach dir und ich habe Sehnsucht nach allen Menschen. Und ich weiß, dass du auch Sehnsucht nach mir hast. Bereite mir den Weg, sodass ich in dein Leben und in das Leben vieler Menschen kommen kann!“ So sehne ich mich danach, diesem Ruf zu folgen, jeden Tag neu mein JA zu sprechen. Ja, Herr, ich will, dass du in mein Leben kommst, ich will dir den Weg bereiten.

 

Elfriede Demml (27), Pastoralpraktikantin im Pfarrverband Graz-Liebenau, Dezember 2014

 

Erschienen in: Die Tagespost, 10.01.2015

 

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