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Gott wirkt im „Nutzlosen“

 

Wie oft denken wir, wir müssen unseren Wert erst verdienen? Wir meinen, wir hätten erst dann oder nur so lange eine Lebensberechtigung, solange wir kein „Friss-Umsonst“ sind. Doch bei genauerem Hinsehen merken wir, dass Gott anders „tickt“. Er kommt selbst zu dem Entschluss, dass er am Besten wirken kann, wenn er auf seine Herrlichkeit verzichtet und ein Baby wird. Ein Baby kann keine großen Taten vollbringen (ist völlig angewiesen und abhängig). Seine einzige Aufgabe besteht darin, das Geschenk seines Lebens anzunehmen und darin zu wachsen (wenn auch zunächst noch ganz unbewusst). Aber genau in dieser scheinbar nutzlosen Auf-GABE verwandelt es die Herzen der Menschen – ohne es selber zu wissen.

Nun mögen einige denken, was hat diese romantische (Weihnachts-)Geschichte von vor über zweitausend Jahren mit uns heute zu tun? Ich möchte von einigen kleinen Begegnungen erzählen, die uns vielleicht eine Spur sein können.

 

Ein Lächeln, das mich verwandelte

 

Als erstes ein Erlebnis, das ich schon vor über sieben Jahren hatte, das sich aber tief in mein Herz eingeprägt hat. Ich war mit dem Fahrtendienst unterwegs in eine betreute Wohngruppe, wo ich für sechs Wochen, während eines Praktikums wohnte, da sagte mir der Fahrer, wir müssten noch einen Wachkomapatienten abholen. Ich war voll aufgeregt, denn noch nie zuvor hatte ich jemanden gesehen, der im Wachkoma war. Wie würde diese Person aussehen? Würde ich erschrecken? Und unwillkürlich stellte ich mir die Frage, ob ein solches Leben überhaupt lebenswert sei. Da kam er, mein Herz schlug höher. Ein großer Pflegerollstuhl und darin ein Junge knapp über zwanzig, also damals nicht viel älter als ich. Er war seit einem Motorradunfall im Wachkoma. Nun saß er – oder lehnte eigentlich viel mehr – in diesem Rollstuhl, ließ alles hängen, sogar der Kopf rutschte immer wieder von der Nackenstütze. Er konnte … nichts!? Aber die Antwort auf meine geheime Frage, ob dieses Leben lebenswert war kam prompt und war so eindeutig, dass sie mich mitten ins Herz traf. Ohne eine Reaktion zu erwarten lächelte ich ihm zu und meinte schüchtern „Hallo“. Da hob er mit all seiner Kraft den Kopf und strahlte mich an. Ich sag’ euch, so was hab ich noch nicht gesehen. Augen, die voller Lebensfreude blitzten und ein Grinsen, das um den ganzen Kopf gehen würde, hätte Gott nicht blöderweise die Ohren dazwischen wachsen lassen. Na, dieses Leben scheint nicht todunglücklich zu sein, dachte ich und grinste zurück. Dieser Junge, der oberflächlich gesehen nichts mehr konnte, hat mich in meiner Überzeugung gestärkt, dass jedes Leben, egal wie schwer beeinträchtigt oder hilflos es sein mag, lebenswert und deshalb auch schützenswert ist. – So viel zum Thema, jeder Mensch hat eine Auf-GABE, auch wenn er scheinbar nichts kann und anderen nur zur Last fällt.

Gut, könnte man jetzt sagen, der Junge hat vielleicht mir weiter geholfen, aber ist dieses Leid wirklich zumutbar? Kann man ein solches Leben wirklich als Geschenk betrachten? Oder wäre es nicht manchmal besser, ein Ende zu setzen, wenn man keinen Sinn mehr sieht?

Dazu eine zweite Geschichte.

 

Jesus sitzt mit im „Wägelchen“

Kürzlich hatte ich mit einigen Freunden eine Begegnung mit einem weisen alten Mann. Sein Lebensthema ist "Liebe umsonst", womit vor allem gemeint ist, dass man nicht fragt "Was bist du und was bringst du mir?", sondern "Wer bist du?"

Wir haben lange über das Geschenk des Lebens samt seinen Herausforderungen gesprochen. Besonders berührt hat mich, als er meinen Rollstuhl gepackt und gesagt hat: „Das Wägelchen bleibt, aber Jesus sitzt mit Ihnen im Wägelchen.“

 

Durch die Wunden die Herrlichkeit Gottes scheinen lassen

Zu meiner Freundin, die oft unter schweren Depressionen leidet und durch dunkle Nächte geht, hat derselbe weise, alte, schon zittrige Mann mit seinen leuchtenden Augen gesagt: „Sie sind schon heil, das heißt nicht, dass Sie keine Wunden haben. Es geht nicht darum, keine Wunden zu haben. Jesus, der Heil-and, hat bei seiner Auferstehung seine Wunden gezeigt, war und ist also heil mit und trotz all seiner Wunden. Es geht darum, durch die (eigenen) Wunden die Herrlichkeit Gottes scheinen zu lassen...“

 

Ja, nehmen wir das Geschenk unseres Lebens an, egal ob jung oder alt, in der Blüte unseres Lebens oder in Gebrechlichkeit. Öffnen wir unser Herz für den Herrn. Lassen wir ihn darin wohnen und vertrauen wir darauf, dass er in uns und durch uns wirkt, auch wenn wir vielleicht nicht immer etwas davon merken.

 

Elfriede Demml (26), studiert katholische Theologie in Benediktbeuern, Dezember 2013

Erschienen im: Ausseerland Pfarrblatt, März 2014

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