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Umarmt

 

Es ist die Zeit um Nikolaus. Spontan nehme ich beim Einkaufen zwei Packungen Erdnüsse mit für die Leute, die immer vor dem Geschäft sind. Der Megaphonverkäufer (Megaphon ist ein Straßenmagazin; Sozialprojekt der Caritas) lehnt dankend ab, er könne die Nüsse nicht beißen. Ein Blick in sein zahnloses Lächeln, verrät mir, dass das wahr ist und dass Mandarinen wohl besser gewesen wären. Etwas weiter weg sitzt, wie jeden Tag, ein Obdachloser Mann. Als ich zu ihm hinfahre und ihm die Nüsse zeige, springt er sofort auf. Er umarmt mich vor Freude und reibt seinen Kopf an meiner Schulter, wie ein kleines Kind. Ich halte den Atem an. Das Leben auf der Straße ist nicht spur- und geruchslos an ihm vorüber gegangen. Ich muss an den Heiligen Franziskus denken. „Musstest du den Atem anhalten, als du den Leprakranken umarmt hast, oder warst du so von der Liebe Christi erfüllt, dass dir das alles nichts mehr ausgemacht hat? Dann bitte für mich, dass ich es dir eines Tages nach tun kann, nicht nur tapfer aushalten, wenn es passiert, sondern von mir aus die Menschen umarmen, egal wie sie aussehen oder riechen.“

Der Mann lässt mich wieder los und nimmt die Nüsse entgegen. Wir wechseln ein paar Worte. Dann bitte ich ihn, mir den Reißverschluss meiner Jacke ganz zu zumachen. Er winkt einen Freund herbei, der in der Nähe steht. Gemeinsam verpacken sie mich fürsorglich. Reißverschluss zu, Schal gut um den Hals gewickelt. So verabschiede ich mich warm eingepackt und fahre nachhause.

 

Elfriede Demml (28), Pastoralassistentin in Graz-Christkönig/Hl. Schutzengel, Dezember 2015

Erschienen in: Ausseerland Pfarrblatt, Jänner/Februar 2016

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