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Wer euch aufnimmt

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Ich bin seit Tagen auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit in München auf meiner Durchreise zu einer Therapie in Norddeutschland. In früheren Jahren konnte ich immer bei Freundinnen übernachten. Aber dieses Jahr geht es bei keiner. Die eine ist im Kloster, die andere heiratet, die nächste ist krank.

"Also gut, dann werde ich eben in einer Jugendherberge überbrachten", denke ich mir. Doch Pech gehabt, ich finde keine rollstuhlgerechte. Auch Hotels finde ich keine, die rollstuhlgerecht und auch noch annährend leistbar wären. Die Sache kommt mir schon etwas komisch vor. Ich bin es nicht gewohnt, dass ich so um eine Sache kämpfen muss. Auch Wohnungen sind mir bis jetzt eigentlich immer irgendwie "zugeflogen".

"Gott, du weißt doch, dass ich in München übernachten muss. Also kümmer dich doch bitte darum, dass ich etwas finde!" Und plötzlich fällt es mir ein, die Salesianer sind in München. Als frühere Studentin von Benediktbeuern kenne ich ihre Gastfreundschaft und fühl mich auch irgendwie noch immer zu ihnen dazugehörig, wie ein Schützling von ihnen. Ich schreibe einem Bruder, bei dem ich mal Praktikum gemacht habe. Nur wenige Minuten später kommt die Antwort. "Wir sind zwar nicht perfekt rollstuhlgerecht, aber du darfst gerne mit deiner Helferin bei uns zu Gast sein." Ich schreibe zurück, dass ich gerne etwas dafür bezahlen würde, solange es nicht so viel ist, wie in einem der teuren Luxushotels. Die Antwort: "Rede gut über die Salesianer, das ist mehr Wert als viel Geld." Ich bin beeindruckt. Erst plage ich mich tagelang selber und die Sache liegt mir wirklich schwer im Magen. Und dann ist die Angelegenheit innerhalb weniger Minuten auf so einfache Weise erledigt.

Als wir später beim Bibelabend das Evangelium vom nächsten Sonntag betrachten und ich folgenden Vers lese muss ich schmunzeln: "Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat" (Mt 10,40).


Elfriede Demml (30), Pastoralassistentin in Graz-Christkönig/Hl. Schutzengel, 28. Juni 2017

Erschienen in: Die Tagespost, 1.7.2017

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