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Experimente für den Alltag

Morgen Gedanken für die ORF Regionalsender von Pastoralassistentin Elfriede Demml

2. bis 8. April 2017

 

Zur Person:

Elfriede Demml ist 29 Jahre alt (gebürtig aus Bad Aussee) und Pastoralassistentin im Pfarrverband Graz-Christkönig/Schutzengel. Sie berichtet Erlebnisse aus ihrem Alltag im Rollstuhl und lädt uns ein zu einem Experiment für den heutigen Tag.

 

Sonntag 2. April 2017 – ein Kunstwerk sein

Hat dir eigentlich schon einmal jemand gesagt, dass du ein Kunstwerk bist? Ja, du Erna und du, lieber Karl! Und du auch lieber Franz und Maria und Anna natürlich auch! Ihr alle seid ein Kunstwerk! Nicht so irgendeine billige Kopie. Nein, du bist ein Original!

Wenn ich in den Spiegel schaue und mir bewusst mache, dass ich ein Kunstwerk bin, dann kann ich nicht mehr einfach an mir herumnörgeln. Denn der Künstler wird sich schließlich etwas dabei gedacht haben, als er mich nicht zum Supersportler gemacht hat, ja es sogar zugelassen hat, dass ich gar nicht gehen kann. Er freut sich vielleicht sogar über mein erstes graues Haar – wer weiß, Gottes Geschmack ist ja wirklich unergründlich. Scheinbar macht es ihm nichts aus, dass ich so langsam bin und nie alle Dinge schaffe, die ich mir vorgenommen habe. Scheinbar kann er selbst mit meiner Ungeschicklichkeit noch etwas bewirken. Ja, wenn das wirklich so ist, dann will ich glauben, dass es gut ist, genauso wie ich bin.

Ich lade dich zu einem Experiment für den heutigen Tag ein: schau in den Spiegel solange, bis du lächelst. Dann sag: „Ich bin ein Kunstwerk!“.

 

Montag 3. April 2017 – getragen sein

Von Treppen oder anderen Barrieren habe ich mich eigentlich noch nie abhalten lassen. Da vertraue ich darauf, dass es starke Männer gibt, die mich tragen werden. Doch einmal gab es eine Situation, in der jeder irgendein Problem hatte. Das Kreuz, das Knie, die Hüfte. Es half nichts, ich musste trotzdem hinauf getragen werden. Doch das tat mir fürchterlich leid. Noch Tage später ist es mir nachgegangen. Ich hatte genug davon, anderen zur Last zu fallen. Als ich mich dann bei meiner Freundin ausgeheult habe, hat sie gemeint: „Ach weißt du, Elfriede, wir alle müssen einander ertragen und du musst halt im wahrsten Sinne des Wortes getragen werden.“ Ein anderer Freund hat mir mal gesagt: „Man muss den Menschen helfen Gutes zu tun.“ Daran muss ich jetzt immer denken, wenn ich mal wieder niemanden zur Last fallen will.

Ich lade dich heute wieder zu einem Experiment ein: Wenn du in irgendeiner Situation Hilfe brauchst, hilf du jemanden, Gutes zu tun und bitte ihn um Hilfe.

 

Dienstag 4. April 2017 – beschützt sein

Bei meiner Arbeit als Pastoralassistentin habe ich häufig Abendtermine und ich fahre dann spät abends mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nachhause. Oft fragen mich die Leute, ob ich denn keine Angst hätte, so alleine im Dunkeln an der Bushaltestelle zu warten und nachhause zu fahren. Ich sage dann immer: „Ach weißt du, es sind so viele Menschen unterwegs, die passen alle auf mich auf.“ Und es ist wirklich so: sehr oft bleiben Leute extra stehen und fragen mich, ob ich Hilfe brauche. Oft sind es sogar die Art von Menschen, denen man leicht den Stempel „gefährlich“ aufdrücken würde. Meist antworte ich: „Nein danke, ich warte nur auf den Bus.“ Manchmal bitte ich sie, mir meine Jausendose zu öffnen. Das machen sie dann auch gerne.

Ich lade dich heute wieder zu einem Experiment ein: Geh heute davon aus, dass alle Menschen, die dir heute begegnen extra für dich herbestellt worden sind, um dich zu beschützen.

 

Mittwoch 5. April 2017 – erfüllt sein

Dieses Jahr darf ich eine Gruppe von sieben Mädels auf den Weg zur Firmung begleiten. In der ersten Gruppen-stunde habe ich sie gefragt, was sie sich für die Firmvorbereitung wünschen. Sie waren sich einig: gemeinsam Spaß haben und es soll auf keinen Fall langweilig sein! Na super, habe ich mir gedacht. Eine ganz schön hohe Anforderung, die die Mädels da an mich stellen. Jetzt soll ich sie ein halbes Jahr lang „bespaßen“ und ihnen noch „nebenbei“ etwas über das Leben mit Gott mitgegeben?! Aber nachdem ich „meine Mädels“ ein paar Tage mit im Herzen getragen habe, ist mir bewusst geworden, dass sie mit ihrer Sehnsucht nach Freude und Abenteuer in der Firmvorbereitung genau richtig sind – denn wer könnte diese Sehnsucht besser stillen als der Heilige Geist? Mit ihm ist es ja tatsächlich nie langweilig. Das kann ich zumindest aus eigener Erfahrung sagen. :-)

Ich lade dich heute wieder zu einem Experiment ein: bete: „Komm Heiliger Geist, erfülle mein Herz mit deiner Freude und mit deiner Liebe und hilf mir, mich auf das Abenteuerleben einzulassen!“

 

Donnerstag 6. April 2017 – Der Himmlische Manager

Mein Kopf ist voll von Dingen, die ich noch zu erledigen habe und keinesfalls vergessen darf. Ich werde immer unruhiger. Wie soll ich das alles schaffen? Ich spüre förmlich den Druck, der auf mir lastet. – Und plötzlich fällt es mir wieder ein: Ich habe einen himmlischen Manager! Gott weiß um die Dinge, die ich tun muss. Er kennt meine Situation. Und er weiß – im Gegensatz zu mir – was wirklich wichtig ist, und was ich mir nur einbilde, dass es ohne mich nicht geht. „Herr, sei du die Nummer Eins in meinem Leben. Bleibe bei mir und hilf mir meinen Alltag zu gestalten. Segne du jede einzelne Stunde und das, was ich darin mache – zu deiner Ehre und zum Heil der Menschen!“

Als Experiment für heute lade ich dich ein: Schenke diesen Tag Gott, unseren himmlischen Manager. Vertrau darauf, dass er die Dinge im Griff hat, erst recht dann, wenn du sie nicht mehr im Griff hast.

 

Freitag 7. April 2017 – erlöst sein

Woran merkt man, dass man erlöst ist? Ich glaube ein wichtiger Aspekt ist, dass man frei ist und sich nicht unter Druck setzen lässt und dass man den Druck, den man verspürt, nicht weitergeben muss. Ich erzähle mal ein konkretes Beispiel aus meinem Alltag: Immer wieder passiert es, dass mich meine Assistentinnen kurzfristig anrufen, dass sie nicht kommen können, weil sie krank sind. Wer geht jetzt mit mir aufs Klo? Wer bringt mich ins Bett? Eine ziemlich dringende Angelegenheit. Aber nachdem ich in der Gewissheit lebe, dass Gott es ist, der mich hierher gestellt hat, gehe ich davon aus, dass er sich auch um die Situation kümmern wird und dass sich die Nacht nicht im Rollstuhl verbringen muss. Diese Gewissheit gibt mir auch noch die ungehörige Gelassenheit, dass ich den Druck der Situation nicht weitergeben muss. Ich rufe dann eine andere Assistentin an und frage: „Kannst du mich heute ins Bett bringen? Aber wenn es nicht geht, ist es auch gar kein Problem, dann finde ich jemand anderen!“ Und ich musste noch nie die Nacht im Rollstuhl verbringen!

Als Experiment für heute lade ich dich ein: wenn du dich in einer Situation unter Druck gesetzt fühlst, schenke bewusst dem anderen Freiheit.

 

Samstag 8. April 2017 – zur Erinnerung: du bist ein Kunstwerk :-)

Am Ende unserer gemeinsamen Woche der Experimente im Alltag möchte ich dich bewusst noch einmal daran erinnern: Du bist ein Kunstwerk. Du bist ein Original. Du bist einmalig und wertvoll. Ein Kunstwerk muss so positioniert werden, dass es so richtig zur Geltung kommt. Ein Kunstwerk muss vorsichtig behandelt werden, damit es keinen Schaden erleidet. Aber ein Kunstwerk muss es auch auf sich nehmen, dass es immer wieder abgestaubt wird und restauriert wird, damit es wieder in neuem Glanz erstrahlen kann. Ein Kunstwerk darf sich freuen, dass es von seinem Meister so schön gemacht worden ist. Und ein Kunstwerk ist dafür da, dass sich andere an ihm erfreuen können.

Das Experiment für heute ist eigentlich ein Experiment für dein ganzes restliches Leben: Gib dich nicht mit Mittelmäßigkeit zufrieden. Gib nicht auf, diesen Ort zu suchen, an dem du als Kunstwerk strahlen kannst!

 

Elfriede Demml (")), Pastoralassistentin im Pfarrverband Graz-Christkönig/Hl. Schutzengel, 2.-8.4.2017

Gesendet: ORF Morgengedanken, April 2017

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