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Dankbarkeit

 

Ich bin bei meiner Therapie, die in einer Grundschule stattfindet. Eine Therapeutin macht mit mir eine Gehstrecke am Gang. Da kommt uns ein Junge entgegen und bleibt wie angewurzelt stehen. Ich sage ihm: "Du kannst ruhig vorbeigehen, du bist schneller als wir." Und er schaut mich mit noch größeren Augen an. Wahrscheinlich hat er ein bisschen Angst vor meinem Erscheinungsbild, wie ich da so schief und langsam dahin gehe, geführt von meiner Therapeutin, denke ich und ermutige ihn noch einmal: "Du kannst ruhig vorbeigehen, musst keine Angst haben!", und da sagt er endlich staunend: "Du kannst sprechen!?" - "Ja, ich kann sprechen", lache ich und dann geht er weiter. Die Therapeutin schmunzelt: "Ach, die neuen Schüler sind süß." Da ruft er uns ganz empört hinterher: "Ich bin nicht neu!" Nein, er ist nicht neu und er hat wohl die Erfahrung gemacht, dass die meisten, die hier Therapie machen, nicht sprechen können, oder zumindest nicht so deutlich wie ich. Und es berührt mich: Ich dachte, er würde auf das schauen, was ich nicht kann und was bei mir komisch ausschaut, aber er hat staunend auf das geschaut, was ich kann. Daran will ich mir ein Beispiel nehmen...

 

Elfriede Demml (35), Pastoralreferentin in Graz und Rollstuhlfahrerin, September 2022
Erschienen in: Steirisches Salzkammergut Pfarrblatt, Jänner/Februar 2023

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