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Eine Fahrt als VIP


Kurz vor dem Umstiegsbahnhof auf meinem Weg nach Hause zu meiner Familie frage ich sicherheitshalber noch einmal den Schaffner, wie wir in der Zeit liegen und ob sich das mit dem Umstieg eh ausgeht. "Gar kein Problem", meint er gelassen. Im Bahnhof angekommen holen die beiden Zugbegleiter die Hebebühne für meinen Rollstuhl und helfen mir aus dem Zug. In dem Moment fährt mein Anschlusszug ab. Fassungslos beginnt der Schaffner zu fluchen und zu schimpfen, wie das passieren konnte. Er werde sofort anrufen, meint er. Ich denke mir, dass der Zug ja deswegen nicht wieder rückwärts in den Bahnhof einfahren wird, aber immerhin ist es gut, wenn die Sache gemeldet wird, damit nächstes Mal besser drauf geachtet wird. Immerhin war die Fahrt mit meinem Rollstuhl vorangemeldet und sie hätten wissen müssen, dass ich komme.

Ich fahre in die Bahnhofshalle, rufe meine Mama an, dass ich doch erst 2 Stunden später zu Hause ankommen werde und frage noch eine Frau, ob sie mir beim Wassertrinken helfen könnte, denn so lange halte ich ohne trinken dann doch nicht mehr aus. Gerade stelle ich mich also auf zwei Stunden Wartezeit mit Lesen in der Bahnhofshalle ein, als ein junger Mann mit Sonnenbrille hereinkommt und zu mir sagt: "Auf geht's. Ich schaue ihn etwas fragend und verwundert an und er meint: "Ich bringe dich nach Bad Aussee." Nun bin ich wirklich verdattert und folge ihm ganz ungläubig. Vor dem Bahnhof steht ein Linienbus, ganz leer. Der junge Mann klappt mir die Rampe aus und schnallt mich und meinen Rollstuhl gewissenhaft an. Wieder rufe ich meine Mama an. "Stell dir vor, die haben einen Bus für mich organisiert und ich werde jetzt doch nach Hause gebracht!" Herzlichen Dank an die ÖBB! Schön, wenn Fehler so schnell und unkompliziert ausgebügelt werden.
Aber damit noch nicht genug: An meinem Heimatbahnhof angekommen klappt mir der Busfahrer wieder die Rampe aus und meint verschmitzt: "Schau mal auf die Anzeigetafel oben auf dem Bus." VIP steht da in großen Lettern geschrieben. Ich muss lachen. Er meint, er habe überlegt, was er drauf schreiben soll und das schien ihm am passendsten. Ich muss mal wieder staunen, wie schnell Gott aus jemandem, der vergessen wurde eine „very important person“ macht.


Elfriede Demml (31), Pastoralassistentin in Graz, 21.2.2019

Erschienen in: Die Tagespost, 23.5.2019

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