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Versorgt

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Ich fühle mich nicht ganz so wohl, deshalb gehe ich sicherheitshalber zum Testen. Kaum an der Bushaltestelle angelangt, klingelt mein Telefon. Der Corona Test war positiv. Ich muss sofort nach Hause, darf aber keinesfalls die öffentlichen Verkehrsmittel verwenden. Ok, dann fahre ich also mit meinem Elektrorollstuhl "zu Fuß" nach Hause. Zuvor schreibe ich noch meiner Assistentin, die zu Hause auf mich wartet "Test positiv". Nun haben wir wenigstens beide eine halbe Stunde Zeit, nachzudenken, was das jetzt für uns bedeutet.

Zu Hause angekommen fahre ich vorsichtig in die Wohnung. "Was machen wir jetzt?" - "Ja, es ist gut, dass ich gerade noch Zeit hatte, nachzudenken. Ich habe beschlossen, ich bleibe erstmal bei dir und übernehme in den nächsten Tagen die Dienste. Immerhin habe ich sowieso heute schon den Tag mit dir verbracht. Schlafen tue ich aber lieber zu Hause." Erstmal bin ich einfach nur erleichtert. Meine Sorge war bisher weniger die Angst vor der Krankheit, als vielmehr die Frage, wer mich versorgen wird, wenn ich in Quarantäne muss. Nun bin ich wirklich erleichtert und kann mein Glück kaum fassen, dass sie für diesen Dienst inklusive Risiko bereit ist. 2 Tage später wird es jedoch wieder spannend.

Wir hatten ausgemacht, dass sie mich um spätestens 7:45 Uhr aus dem Bett holt. Mittlerweile ist es schon nach 8 Uhr und sie ist noch nicht gekommen. Gerade will ich mein Handy einschalten, da klingelt es an der Tür. "Ah, jetzt ist sie da!" Ich drücke mit meiner Fernbedienung, die bei mir im Bett liegt, sodass die Wohnungstür aufgeht. "Guten Morgen, Elfriede!", höre ich. Aber es ist die Stimme einer anderen Assistentin. Was ist passiert? Mein erster Engel hat einen Migräneanfall und hat es nicht geschafft, das Haus zu verlassen. Daraufhin hat sie alle anderen Assistentinnen durch telefoniert, bis sie meinen heutigen Notfall Engel gefunden hat. Ich bin erleichtert. Wir machen die ganze Morgenroutine. Aber dann muss auch sie mich verlassen und sagt mir, dass sie heute leider nicht mehr kommen kann. Ich weiß also nicht, wer als nächstes zu mir kommen wird und wann ich wieder aufs Klo gehen darf. Es heißt mal wieder vertrauen. Die Assistentin, die eigentlich am meisten bei mir ist, ist gerade schwanger und kann deshalb nicht kommen, aber sie versorgt mich immerhin mit Essen und stellt es immer auf meine Terrasse. Das ist schon mal eine große Hilfe. Aber wer kann zu mir reinkommen? Es ist ein komisches Gefühl, "gefährlich" für andere Leute zu sein, und trotzdem auf sie angewiesen zu sein. Zwei Freundinnen haben die glorreiche Idee, in der Teststraße Schutzkleidung für mich zu erbetteln. Von nun an kommen meine Assistentinnen also mit Schutzmantel, Schutzschild, Maske, Häubchen und Handschuhen zu mir. Sie wissen nicht so recht, ob sie sich wie ein Alien oder einfach nur sehr professionell fühlen sollen. Inzwischen können wir wieder darüber lachen. Sie sind einfach gut verkleidete Engel.

Ich bin so dankbar, wie sehr Gott mich versorgt auch unter schwierigen Umständen. Und ich bin dankbar, jetzt wieder fit und frei zu sein!

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Elfriede Demml (34), Pastoralreferentin im Seelsorgeraum Graz-Südwest, 25.3.2022

Erschienen in: Pfarrblatt steirisches Salzkammergut, März/April 2022

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