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Beschenkt sein als Lebensstil


Impulsreihe von
Pastoralreferentin Elfriede Demml/Frühjahr 2021

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Teil 3. Königskind Mentalität

versus Waisenkind Mentalität

Mädchen staunt über Blumenwiese -Bild von Jill Wellington auf Pixabay

Im letzten Impuls haben wir uns wieder neu daran erinnert, dass Gott nicht knausrig ist und dass es quasi eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist, in Fülle und verschwenderisch zu geben. Nun ist die Frage aller Fragen: spiegelt sich das in deinem Leben? Oder hast du auch immer wieder den Verdacht, zu kurz zu kommen?

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Ein Beispiel als Hinführung

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Ich erzähle euch gleich zu Beginn ein Beispiel, das uns gut in das Thema von heute hineinbegleiten kann:

"Stell dir vor, was mir letztens auf dem Heimweg von dir passiert ist", erzählt mir eine Freundin aufgeregt. "Ich bin ohne ersichtlichen Grund mit dem Fahrrad gestürzt mitten auf der Straße. Und das Auto hinter mir konnte noch rechtzeitig bremsen und mir ist überhaupt nichts passiert. Gott hat mich so sehr beschützt! Auch meinem Fahrrad schien es gut zu gehen. So bin ich dankbar weitergefahren und konnte noch gar nicht fassen, wie beschützt ich bin. Plötzlich hat das Fahrrad blockiert, und ich habe bemerkt, dass ein Spanngurt, den ich immer auf dem Gepäckträger habe, in die Speichen geraten ist und sich darin fest verwickelt hat. Jetzt bin ich soweit gefahren damit und wieder ist mir nichts passiert! Ich bin direkt zur Fahrradwerkstatt gegangen, die zum Glück auf dem Weg lag und stell dir vor, der Techniker hat mein Fahrrad sofort repariert und nicht einmal etwas dafür verlangt. Gott ist so gut!"

 

Ich muss lächeln. Neben dem Wunder, dass Gott meine Freundin in allen Gefahren so gut beschützt und begleitet hat, ist für mich das mindestens so große Wunder, dass sie in all diesen widrigen Umständen Gottes gutes Wirken so deutlich spüren kann. Jemand anders hätte mir die gleiche Geschichte etwa so erzählt: "Stell dir vor, was ich letztens für ein Pech hatte, ich bin mit dem Fahrrad gestürzt und fast hätte mich das Auto hinter mir angefahren. Und als wäre das noch nicht genug, hat sich wenig später auch noch mein Spanngurt in den Fahrradspeichen verheddert. Jetzt musste ich auch noch zur Fahrradreparatur. Hätte mir gerade noch gefehlt, dass ich dafür auch noch Geld ausgeben muss. Sowas kann auch nur mir passieren. Ich bin so ein Pechvogel."

 

Die gleiche Geschichte kann so unterschiedlich erlebt werden. Lebst du in der Waisenkind-Mentalität, in der Überzeugung, dass du immer zu kurz kommst und Pech hast? Oder lebst du in der Königskind-Mentalität, in der Überzeugung, dass du beschenkt und beschützt bist vom Vater im Himmel, egal was passiert? Es ist deine Entscheidung.

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Aber schauen wir uns erstmal an, was hinter diesen beiden Haltungen stecken kann.

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Waisenkind-Mentalität

 

Manche beschreiben diesen weit verbreiteten Verdacht symbolisch mit dem Begriff "Waisenkind-Mentalität". Warum? Ein Waisenkind hat keine Eltern, die sich liebevoll darum kümmern. Es muss alleine lernen, sich durchzuschlagen, sich alles zu beschaffen, was es zum Überleben braucht, inklusive Aufmerksamkeit. Sonst kommt es zu kurz.

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Aber die gute Nachricht ist, Gottes Herz schlägt besonders für Waisenkinder. Immer wieder wird in der Bibel betont, dass man sich besonders um Witwen und Waisen kümmern soll.

Hier beispielhaft einige dieser Bibelstellen:

  • Jakobus 1,27: „Ein reiner und makelloser Gottesdienst ist es vor Gott, dem Vater: für Waisen und Witwen in ihrer Not zu sorgen ...“

  • Auch in den Sprichwörtern 23,10-11 wird davor gewarnt, Waisenkindern Unrecht zu tun: "Verschieb nicht die alte Grenze, dringe nicht in die Felder der Waisen vor! Denn ihr Anwalt ist mächtig, er wird ihre Sache gegen dich führen."

Gott selbst ist dieser Anwalt, der für die Waisenkinder eintritt. Nicht nur die Menschen untereinander sind also aufgerufen, sich um Waisenkinder zu kümmern, sondern Gott selbst verspricht, dies zu tun,

  • z.B. in Jesaja 49,15f: "Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände, deine Mauern sind beständig vor mir.“

  • Und der Psalmist in Psalm 27,10 ist gewiss: "Wenn mich auch Vater und Mutter verlassen, der HERR nimmt mich auf."

  • Psalm 146,9: „Der Herr beschützt die Fremden / und verhilft den Waisen und Witwen zu ihrem Recht.“

  • Psalm 68,6: „Ein Vater der Waisen, ein Anwalt der Witwen ist Gott in deiner heiligen Wohnung.“

 

Königskind-Mentalität

 

Ein Vater der Waisen: Gott liebt es, aus Waisenkindern seine Kinder, also Königskinder, zu machen. Unter einem Königskind verstehe ich hier nicht einen verwöhnten Fratz, der gar nicht zu schätzen weiß, was er hat, sondern einen Menschen, der weiß, dass er geliebt und gewollt ist. Einen Menschen, der weiß, dass er selber begrenzt oder arm ist, aber im Vertrauen lebt, dass es da jemanden gibt, der das dazu gibt, was einem in der menschlichen Begrenzung fehlt. Einen Menschen, der Verantwortung übernimmt für die ihm anvertrauten Menschen. Unter einem Königskind verstehe ich einen Menschen, der sich selbst als beschenkt erfährt und es auch liebt zu schenken.

 

Leben als Königskind: Ein Beispiel

 

Ich erzähle euch noch eine Geschichte aus meinem Leben, die ganz gut zum Ausdruck bringt, was es bedeuten kann, mit dieser Königskind-Mentalität zu leben:

 

Vor ein paar Jahren war ich mal bei einer Hochzeit eingeladen und Freunde haben mich im Auto mitgenommen. Für meinen Geschmack war der Termin unserer Abfahrt viel zu früh angesetzt, aber ich war einfach nur froh, dass sie mich mitnahmen, deshalb hatte ich kein Problem damit, früh loszufahren.

 

Unser Weg führte uns über geschlängelte steile Straßen und das Auto begann besorgniserregende Geräusche von sich zu geben, bis es schlussendlich ganz zu stehen kam. Es dampfte aus dem offensichtlich überhitzten Motor. Alle von uns opferten dem Auto unsere wertvollen Wasservorräte, obwohl wir selbst an diesem heißen Sommertag sehr durstig waren. Aber nichts half. Der Motor heulte zwar immer mal kurz auf, kam aber dann doch wieder zum Erliegen. Wir riefen einen Freund an, der auch zur Hochzeit eingeladen war und warteten, bis er kam und uns mit einem Seil abschleppte. Als sich nun unser kaputtes Auto – gezogen durch das Auto des anderen Freundes – langsam in Bewegung setzte, meinte unser Fahrer mit strahlendem Gesicht: "Kommt, lasst uns einen Rosenkranz beten als Dank, dass alles so gut geklappt hat. Ich konnte meinen Ohren kaum trauen! Was war das für ein krasser Typ? Sein Auto ist gerade kaputtgegangen! Andere würden in so einer Situation fluchen. Und er will dafür danken, dass alles gut gegangen ist! Heimlich beschloss ich, mir eine Scheibe von diesem Lebensstil abzuschneiden und stimmte in den Dank-Rosenkranz ein.

 

Ich lade dich heute ein, wieder einmal neu darauf zu schauen, in welchen Bereichen deines Lebens du dich als beschenkt erfährst und Gott dafür zu danken. Aber ich lade dich auch ein, ihm ganz konkret die Bereiche hinzulegen, wo du dich als Waisenkind erfährst, wo du das Gefühl hast, einen Mangel zu erleiden und zu kurz zu kommen. Ich lade dich ein, ihm diese Wunden ganz konkret hinzulegen und ihn zu bitten, diese Bereiche in seinem Namen und nach seinem Willen zu wandeln und dich als sein Königskind anzunehmen.

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Elfriede Demml, Frühjahr 2021 

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