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Komm, Heiliger Geist!

 

Erschöpft sitzen wir im Schatten eines Hauses und überlegen wie unser Weg weitergehen soll. Wir sind auf dem Jakobsweg unterwegs von Kempten zum Bodensee. Die letzte Etappe war ziemlich gebirgig, was weder meinem Rollstuhl noch den Füßen meiner beiden Freunde gut getan hat. Nun ist hier eine Bushaltestelle. Sollen wir eineinhalb Stunden auf den Bus warten und ein Stück fahren, oder sollen wir weiter durchhalten? Wir wissen es nicht. Erstmal beten wir um den Heiligen Geist und essen ein bisschen was. Plötzlich meint unser Freund: „Und was ist, wenn ich mit Elfriede mit dem Bus fahre, wird das Gepäck mitnehmen und du zu Fuß gehst und wir uns in der nächsten Stadt treffen?“ – „Das habe ich mir auch schon gedacht, aber das finde ich asozial.“, sagt unsere Freundin. „Das gleiche habe ich auch gedacht“, lache ich, „aber warum findest du das asozial?“ „Naja, wenn ich da mein Ding durchziehe und euch auf der Strecke zurücklasse, ist es nicht besonders nett.“ Wieder muss ich lachen: „Ich hätte eher ein schlechtes Gewissen dir gegenüber, dass wird dich gehen lassen und wir gemütlich mit dem Bus fahren. „Nein, damit hätte ich kein Problem!“ Erleichtert atmen wir alle drei auf. Jeder von uns hatte scheinbar den gleichen Gedanken, aber keiner hat es sich zu sagen getraut, weil er dachte, es wäre unfair den anderen gegenüber. Aber der Heilige Geist hat uns Mut gegeben, unsere Gedanken auszusprechen und so lösten sich alle scheinbaren Probleme in Wohlgefallen auf. Heiliger Geist, schenke uns Mut zur Offenheit und Wahrheit in Liebe!


 

Elfriede Demml (28), Pastoralpraktikantin Graz Liebenau. August 2015

 

Erschienen in: Die Tagespost, 29.08.2015


 

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