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Allen alles werden

 

Eines der schönsten Dinge meines Praktikums ist für mich, dass ich mit so unterschiedlichen Menschen zu tun habe. Kürzlich waren 18 kleine Könige aus dem Pfarrkindergarten als Sternsinger bei mir. Zwei Tage zuvor war ich beim Begräbnis einer über 80 jährigen Frau. Gerade suche ich einen Film für meine Firmlinge aus. Doch es ist nicht nur die Altersspanne, die meine Arbeit so vielfältig macht, sondern auch die sozialen Schichten, mit denen ich zu tun habe. Obwohl wir einmal in der Woche Caritassprechstunde haben, passiert es immer wieder, dass Leute auch bei mir im Pfarrhof klingeln, weil sie in Not sind. Meistens verweise ich sie auf die Caritas Sprechzeiten. Manchmal kommt es auch vor, dass ich meinen Kühlschrank plünderte. Diese Leute treffe ich dann wieder auf der Straße. Sie sprechen mich an, fragen mich wie es mir geht. Da kann es schon mal vorkommen, dass mir ein verwahrlost aussehender Mann im Bus die Hand schüttelt und mich nach meinem Befinden fragt und ich 10 Minuten später in der Stadt dem Herrn Generalvikar (Stellvertreter vom Bischof) über den Weg laufe und er mir, genauso wie vorher der Mann, die Hände schüttelt und mich fragt, wie es mir geht. In solchen Situationen bin ich ganz überwältigt und dankbar über das Geschenk, zu so vielen unterschiedlichen Menschen Zugang zu haben. Dann ahne ich was Paulus meint, wenn er im ersten Brief an die Korinther schreibt: „Da ich also von niemand abhängig war, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz geworden, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen. Den Gesetzlosen war ich sozusagen ein Gesetzloser - nicht als ein Gesetzloser vor Gott, sondern gebunden an das Gesetz Christi -, um die Gesetzlosen zu gewinnen. Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten.“ (1 Kor 9,19-22). Oh ja, Herr, hilf mir, hilf uns, allen alles zu werden, nicht um vor allen gut da zu stehen, sondern um sie für dich, der du alles für uns bist, zu gewinnen.

 

Elfriede Demml (27), Pastoralpraktikantin im Pfarrverband Graz-Liebenau, Jänner 2015

Erschienen in: Ausseerland Pfarrblatt, März 2015

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