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Sehnsucht bewegt

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„Liebe Mädels, denkt ihr dran, dass ihr morgen Sternsingen geht?“ – „Muss man da kommen?“ – „Ja, ihr habt euch angemeldet und jetzt seid ihr schon eingeteilt.“ – „Wie lange dauert das? Ich habe um 16:00 Uhr einen Termin mit Freunden.“ – „Es wird schon bis abends dauern. Also den Termin mit den Freunden musst du wohl leider verschieben. Tut mir leid…“ So, oder so ähnlich verlaufen die WhatsApp-Unterhaltungen mit meinen Firmlings-Mädels. Na super, das kann ja was werden! Ich stelle mich innerlich schon darauf ein, dass sie noch sämtliche Ausreden finden werden, warum sie nicht kommen können.

Zu meinem Erstaunen sind aber genau die, die am meisten gejammert haben, am nächsten Tag die ersten, die am Kirchhof sitzen; sogar noch bevor ich da bin. Und genau diese Mädels verkünden dann am Abend, nach einigen Stunden in der Kälte und teilweise sogar im Regen, mit strahlenden Gesichtern, dass sie morgen wieder gehen wollen. Warum? „Es ist schön, anderen zu helfen!“ Wir wollen sie in ihrer Motivation nicht bremsen und richten spontan eine Zusatzgruppe für den nächsten Tag ein. Am Abend dasselbe: Obwohl eines der Mädels am nächsten Tag ihren 14. Geburtstag hat, wollen sie noch einmal gehen. Mein Verdacht ist, dass die Motivation dieses Mal ein fescher Junge ist, der auch beim Sternsingen dabei war. Aber wie auch immer, Gottes Wege sind unergründlich!

Perspektivenwechsel: An einem der Tage koordiniere ich nicht nur vom Pfarrhof aus alles, sondern bin auch selber mit meinen Kolleginnen unterwegs. Wir montieren den Stern an meinem Elektrorollstuhl, packen mich dick ein und dann geht‘s los. Dass sich alte Leute über die Sternsinger freuen und dass sie sehnsüchtig drauf warten, ist mir klar. Was mich diesmal erstaunt, sind die jungen Familien. Junge Paare haben Tränen in den Augen, als wir die Botschaft von der Geburt unseres Herrn verkünden. Teilweise holen sie sogar ihre Kinder aus dem Bett, damit auch sie den Segen empfangen, den wir bringen. Es schockiert und berührt mich zugleich, dass der Besuch der Sternsinger offenbar eines der feierlichsten Dinge ist, die sie im ganzen Jahr erleben. Die Sehnsucht nach diesem Kind in der Krippe, von dem wir das singen, steht ihnen in den Augen geschrieben. Und doch scheinen sie nicht zu wissen, wie sie dieser Sehnsucht nachgehen können, wo diese Sehnsucht gestillt wird.

Soeben erhalte ich wieder ein WhatsApp von einem Firmlings-Mädchen: „Ist noch etwas in Christkönig?“ Ja, es gibt viele Angebote in Christkönig. Aber passiert auch etwas, das eine Antwort auf die Sehnsucht der Menschen gibt? Herr, hilf uns, die Sehnsucht nach dir zu entfachen und den Weg zu dir hin zu bereiten!

 

Elfriede Demml (29), Pastoralassistentin in Graz-Christkönig/Hl. Schutzengel, Jänner 2017

Erschienen in: Die Tagespost, 14.1.2017

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