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Schau, Mama!
 

Bei meinen täglichen Fahrten mit Bus oder Straßenbahn fallen mir immer wieder die Kinder auf, die scheinbar ununterbrochen Neues entdecken und ganz begeistert darauf aufmerksam machen wollen: „Schau, Mama!“ Es fasziniert sie, dass man das Profil ihrer Schuhe auf dem Boden sieht, wenn sie zuvor in eine Pfütze unter der Sitzbank treten. Sie entdecken einen Stein, einen Aufkleber oder sehen einen Hund. Und die Mamas reagieren darauf, teilen die Faszination des Kindes – oder bringen es genervt zum Schweigen. Teilweise reagieren sie auch gar nicht, tippen weiter auf ihrem Handy herum, bis die Kinder sich resigniert abwenden, nach jemand anderem Ausschau halten, der mit ihnen ihre Entdeckungen teilt, oder anfangen, sich mit sich selbst zu beschäftigen, die Schuhe auszuziehen und auf den Boden zu werfen usw. In solchen Situationen schmerzt mich mein Herz. Und dann ahne ich, wie es wohl Gott mit uns geht. Er will uns aufmerksam machen, auf die schönen Dinge, die er für uns bereitet hat, die schöne Natur, die Menschen die er uns zur Seite stellt,… Er will uns zeigen, was er mit seinem schönsten Kunstwerk, nämlich uns selber, für großartige Dinge vorhat. Er will, dass wir DA sind bei ihm, in seiner Gegenwart verweilen. Und wir? Wir stöpseln uns die Ohren zu, schauen auf unser Handy, grübeln über Vergangenes oder machen uns Sorgen um die Zukunft. Aber er hört nicht auf zu rufen: „Schau, mein Kind!“
 

Elfriede Demml (28), Pastoralpraktikantin im Pfarrverband Graz-Liebenau, September 2015

Erschienen in: Ausseerland Pfarrblatt, Oktober 2015

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