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Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken

 

„Nun hast du endlich erreicht, was du wolltest!“, sagte kürzlich eine Frau zu mir und gratulierte mir damit zu meinem abgeschlossenen Studium und meiner Arbeitsstelle. „Eigentlich gar nicht.“, dachte ich im Stillen. „Bitte, lieber Gott, lass mich nie in einer Stadt leben müssen!“, sagte ich jedes Mal, wenn ich in einer Stadt war. „Ich möchte in einer Gemeinschaft leben“, war ein anderer Wunsch. “ Und bis vor einem Jahr, war ich noch überzeugt, dass ich nicht in einer Pfarrgemeinde arbeiten will.

Und was mache ich jetzt? Ich wohne in der Stadt Graz, allein in einer Wohnung und arbeite als Pastoralpraktikantin in einer Pfarrgemeinde… Eine Katastrophe? Alles schiefgelaufen? „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege“, lesen wir bei Jesaja und das kann ich nur bestätigen! Aber ich kann auch bestätigen, dass seine Wege gut sind.

Da springt eine „scheinbare Tussi“ mit hochhakigen Schuhen, zerrissenen Jeans, langen Fingernägeln, stark geschminktem Gesicht und blondem Farbmatsch in den Haaren aus ihrem Friseurstuhl, um mir zu helfen, aus dem Rollstuhl auszusteigen und über die Treppen zu gehen. Da winkt ein Busfahrer mit einem Windrad aus dem Fenster, um mir zu zeigen, dass er mich gesehen hat und mir gleich die Rollstuhlrampe ausklappen wird. Da fragt mich meine Arbeitskollegin, ob wir zukünftig jeden Mittwoch gemeinsam Laudes beten wollen. Da nimmt das Pastoralteam meinen Vorschlag, einmal wöchentlich eine Stunde eucharistische Anbetung zu machen freudig auf und unterstützt mich dabei, diese Vision in die Tat umzusetzen.

Herr, mach weiter so, ich bin bereit.

 

Elfriede Demml (27), Pastoralpraktikantin im Pfarrverband Graz-Liebenau, September 14

 

Erschienen in: Die Tagespost, 18.10.2014

 

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