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Passion und Hoffnung

 

Ich erzähle hier, was mir Hoffnung in stürmischen Zeiten gibt oder im Laufe meines Lebens gab. Und ich werde das anhand von ausgewählten Szenen der Passionsgeschichte tun. Ich will damit keinesfalls mein Leben mit dem Leidensweg Jesu gleichsetzen, aber ich will doch aufzeigen, inwiefern sein Weg mich für meinen Weg inspiriert und ermutigt. Und vielleicht könnt ihr diese Geschichte ja in nächster Zeit mal besonders auf euer Leben umlegen und schauen, wie euch die Passionsgeschichte in eurem Leben Hoffnung in stürmischen Zeiten gibt.

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Dein Wille, nicht mein Wille


Als Kind habe ich lange gedacht, wenn ich mich nur genug bemühe und anstrenge, dann werde ich es schon eines Tages schaffen zu gehen. Ich habe drei jüngere Geschwister und bei jedem Geschwisterchen, das zur Welt kam, habe ich gedacht: Wenn dieses Baby gehen lernt, dann lerne ich es auch. Ich habe mich angestrengt, aber der Traum ist nicht in Erfüllung gegangen. Ich habe damit gerungen und in mir wuchs auch die Wut auf die Ärzte und Menschen, die bei meiner Geburt (übrigens in der Osternacht 1987) anwesend waren und offensichtlich nicht gemerkt haben, dass etwas nicht stimmt und nichts dagegen unternommen haben, dass ich irgendwann um den Zeitraum der Geburt herum einen Sauerstoffmangel gehabt habe, der Teile meines Gehirns zerstört hat, sodass die Steuerung meines Körpers nicht mehr richtig funktioniert und ich eine Spastik habe. Eines Tages, ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, aber ich schätze mal ca 12 Jahre alt, war ich in meinem Bett und habe mal wieder damit gerungen, warum mir das passiert ist. Und da hatte ich plötzlich die Erkenntnis: Wenn es stimmt, dass es Gott gibt, und dass er einen guten Plan für mein Leben hat, dann war das alles vielleicht kein unglücklicher Unfall, sondern dann hat das alles Sinn, sodass Gott seinen guten Plan genau darin verwirklichen kann. Dann will ich mitmachen bei diesem Plan und das Beste aus meinem Leben machen, so wie es ist. Im Nachhinein betrachtet würde ich sagen, das war mein Garten-Gezemani-Moment. "Aber nicht was ich will, sondern was du willst soll geschehen" (Markus 14,36) - und es wird gut sein.

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Du bist kein Opfer
 

Später, es war in der Zeit meines Studiums, hatte ich mal einen großen inneren Konflikt und hatte viel zu ringen. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr so genau worum es gegangen ist, aber als wäre es gestern gewesen, kann ich mich noch an dieses Ereignis erinnern: Ich habe einem guten Freund mein Leid geklagt und habe von ihm Trost erwartet. Aber er hat zu mir gesagt: "Elfriede, du bist kein Opfer." Dieser Satz war im ersten Moment hart für mich, aber im Nachhinein betrachtet, lebensverändernd und ich halte mich noch heute oft daran fest, wenn ich trohe, ihn Selbstmitleid zu versinken. Ich wollte Mitleid und mich an ihm festhalten, aber das habe ich nicht von ihm bekommen. Er hat mir in dem Moment viel mehr gegeben. Er hat mich zurück auf meine eigenen Beine gestellt (im übertragenen Sinn natürlich :-). Und das hilft mir auch heute noch, schwierige Situationen anzunehmen - und zwar nicht, weil ich halt muss, als Opfer, das sich nicht wehren kann, sondern mit Würde.
Eine meiner Lieblingsszenen in der Johannespassion ist der Moment, wo Jesus bei der Gefangennahme sagt "Ich bin es". "Ich bin es" ist der Gottesname und darin liegt so viel Kraft, dass die Soldaten zu Boden stürzen. (Johannes 18,6) Während Jesus also gefesselt wird - und das über sich ergehen lässt, ohne sich zu wehren - strahlt er gleichzeitig eine umwerfende Würde aus. Das ist mir ein Vorbild.

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Unter dem Blick Jesu (Exkurs Petrus)
 

Eine wichtige Person in der Passionsgeschichte ist für mich Petrus.
Sein Hin und Her und der Umgang Jesu damit ist für mich sehr ermutigend.
"Niemals würde ich Anstoß an dir nehmen - ich kenne diesen Menschen nicht."
Und die Antwort Jesu darauf: "Liebst du mich?"
Mir kommt vor, Jesus sagt in letzter Zeit immer wieder zu mir: "Das Problem ist nicht, dass du gesündigt hast oder Fehler gemacht hast. DAS PROBLEM IST, DASS DU DICH SELBER DAFÜR VERURTEILST. ICH BIN DER RICHTER, NICHT DU." Und da ist uns Petrus ein Vorbild. Während sich Judas selbst gerichtet hat, hat Petrus sich vom Herrn richten lassen. Nämlich wieder einrichten in die richtige Ordnung.

Und das ist schon früher in der Zeit als Jünger Jesu immer wieder passiert:
"Niemals darf passieren, dass du getötet wirst."
Und die scheinbar harte Antwort Jesu: "Geh mir aus den Augen Satan" - geh mir aus den Augen, also gehe hinter mir nach. Satan, diabolos, der Durcheinanderbringer. Bring nicht Gottes Pläne des Heils durcheinander. Vertrau drauf, dass Gott Pläne des Heils hat.
Da sagt mir Jesus in letzter Zeit immer wieder, wenn ich voller Sorgen bin: "DU MUSST LERNEN, DER HIMMLISCHEN REALITÄT MEHR ZU VERTRAUEN, ALS DER IRDISCHEN." Auch an diesem Satz halte ich in letzter Zeit ganz fest und er ist mir eine große Stütze in den Stürmen des Lebens. Es ist fast ein blindes Vertrauen. Aber Gott enttäuscht es nicht.

Und eine weitere Szene, die für unser Thema der Stürme des Lebens natürlich wichtig ist: Petrus geht auf dem Wasser, solange er seinen Blick auf Jesus gerichtet hat. In dem Augenblick, in dem er auf die Wellen schaut, versinkt er - und trotzdem hält Jesus ihm noch die Hand hin und lässt ihn nicht fallen.

Mir zeigt das alles: Jesus nimmt meine Gefühle ernst und er zeigt mir auch, dass ich meine Gefühle ernst nehmen darf. Und gleichzeitig lehrt er mich, wie ich damit umgehen darf: Lass dich nicht von deinen Gefühlen lähmen. Schau auf mich.
Und ich habe den Eindruck, der Herr sagt in letzter Zeit immer wieder: "IHR MÜSST LERNEN, EUCH BEI MIR ZU BERGEN. IHR MÜSST DIESEN ORT DER BEGEGNUNG MIT MIR GUT KENNENLERNEN UND DEN WEG DORTHIN, DAMIT IHR IHN JEDERZEIT AUFSUCHEN KÖNNT, WAS AUCH KOMMT."
Und ich glaube, das können wir nur ganz treu und regelmäßig in unserem Alltag einüben durch regelmäßige Gebetszeiten, wo wir diesen Ort der Begegnung mit dem Herrn suchen, damit wir den Weg dorthin immer besser kennenlernen und auch in stürmischen Zeiten aufsuchen können. Und ich möchte betonen, dass es dabei nicht um Gefühle geht. "Ich fühle mich dem Herrn nahe." Nicht immer fühlt es sich super toll an. Es geht um die Gewissheit. Ich weiß, du bist da, auch wenn ich es gerade nicht sehen und fühlen kann.

So, das war jetzt ein langer Exkurs zum heiligen Petrus. Kehren wir zurück zur Passionsgeschichte und zu einer nächsten spannenden Person:


Man muss den Menschen helfen, Gutes zu tun


Simon von Zyrene wurde gezwungen, Jesus zu helfen, das Kreuz zu tragen. (Markus 15,21) Oft fällt mir der Gedanke schwer, dass ich anderen zur Last falle, weil sie mir helfen müssen. Auch da hat einmal ein Freund einen ganz wichtigen Satz zu mir gesagt, an dem ich festhalte: "Man muss den Menschen helfen, Gutes zu tun." Mit dieser Einstellung bitte ich also um Hilfe und nehme Hilfe an. Und ich habe den Eindruck, dass ich so das Privileg habe, den guten Kern in vielen Menschen sichtbar zu machen.

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Mich dürstet
 

Einer der letzten Sätze Jesu vor seinem Tod war: "Mich dürstet" (Johannes 19,28). Auch ich muss oder darf oft Menschen bitten, mir was zu trinken zu geben und mir auch noch beim Trinken zu helfen. Ich liebe die Bibelstelle, wo Jesus sagt: "Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört - Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen." (Markus 9,41) Ich bete immer wieder darum, dass ich alle im Himmel wiedersehen möchte, die mir jemals in meinem Leben zu trinken gegeben haben, oder mir sonst irgendwie geholfen haben. Das ist meine geheime Mission. Und manche, die von dieser Geheimmission wissen, fragen mich extra jedes Mal, wenn sie mich treffen, ob ich zufällig Durst habe. Und ich sage immer "Ja" ;-)

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Angenagelt
 

Jesus am Kreuz zu sehen hilft mir, mein eingeschränktes Handlungsvermögen anzunehmen. Wenn ich unruhig werde, weil ich das Gefühl habe, dass ich mit meiner Einschränkung viel zu wenig bewirken kann, dann flüstert er mir ins Herz: "Schau auf meine durchbohrten Hände. Genau da, wo sie unbeweglich angenagelt am Kreuz hängen, passiert das größte Wunder der Geschichte."

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Elfriede Demml, Fastenzeit 2024

Zeugnis gegeben am Karfreitag 2024 in der Pfarre Graz-Sankt Elisabeth und in der Praystation Leibniz am 12. April 2024

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