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Draußen vor der Tür

 

Ein großes kirchliches Fest mit Festprediger, Kirchenchor und allem was das katholische Herz begehrt. Die Messe ist vorbei, die Gemeinde strömt aus dem Gotteshaus. Am Kirchenportal sitzt eine Bettlerin. Manche werfen ihr im Vorbeigehen einige Münzen in den Korb. Andere beachten sie nicht. Ich versuche ihr in die Augen zu schauen und sie zu grüßen, doch sie starrt mit einem leeren Blick ein Loch in die Luft. Ich schließe mich dem Festzug an Richtung Festwiese. Hähnchen werden gegrillt, die Blasmusik spielt, jeder versucht schnellstmöglich einen Platz zu ergattern, wo er gut essen und trinken kann und auch noch das reiche Unterhaltungsprogramm gut verfolgen kann. „Wir können die Bettlerin doch nicht vor der Tür sitzen lassen und hier einfach feiern!“, meldet sich eine Stimme in mir. Doch eine andere Stimme sagt: „Du bist fremd hier, Elfriede, du kannst nicht den großen Gastgeber spielen.“ Die Stimme siegt und ich füge mich in die Menschenmasse ein. Später am Nachmittag werde ich den „wichtigen“ Menschen dieses Festes vorgestellt. Ich sitze in ihrer Runde werde herzlich aufgenommen, es wird geplaudert und gelacht. An einem anderen Tisch sehe ich eine Frau ganz alleine sitzen. „Sollte ich nicht besser bei ihr sitzen?“, meldet sich wieder eine Stimme in mir. „Sei froh das du hier so gut aufgenommen wirst, Elfriede, du kannst deine Gastgeber nicht vor den Kopf stoßen!“, sagt die andere Stimme und ich bleibe sitzen. Doch das Gefühl bleibt, dass das noch nicht alles gewesen sein kann. Herr, schenke mir Mut!

 

Elfriede Demml (27), Pastoralpraktikantin im Pfarrverband Graz Liebenau, September 14

 

Erschienen in: Die Tagespost, 30.10.2014

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