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Barmherziger Vater heute - erzählt nach Lukas 15,11-32
Von Elfriede Demml, März 2025

 

Mein Vater besitzt eine große, angesehene Firma, in der mein Bruder und ich von klein auf immer mit dabei sind. Es ist klar, dass wir diese einmal erben. Doch mit der Zeit wird mir das alles zu eintönig. Ich will mehr vom Leben, Freiheit, Abenteuer. Deshalb habe ich jetzt einen Entschluss gefasst: Ich werde meinen Vater um mein Erbteil bitten und die Welt entdecken.

Beim Abendessen sage ich es ihm. Mein Vater schweigt, es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bevor er leise und nachdenklich sagt:

“Ja, ich habe es schon seit einiger Zeit gespürt. Du warst irgendwie so unruhig in letzter Zeit und ich habe gemerkt, dass dich etwas fortzieht von uns.”

- “Ja, ich habe so eine Sehnsucht nach mehr vom Leben.”

Ich merke, wie mein Vater mit sich selber ringt. Am Ende sagt er:

“Gut, dann mach dich auf den Weg und schau, wo du diese Sehnsucht stillen kannst."

Ein paar Tage später übergibt er mir eine Kreditkarte und Autoschlüssel. Er drückt mich noch einmal an sein pochendes Herz, wie er es früher gemacht hat und dann sagt er mit tränenerstickter Stimme:

“Geh und finde dein Glück."

Er drückt mich ein letztes Mal an sein Herz und lässt mich ziehen.

Ich fahre los, immer weiter, bis zum Meer. Dort buche ich eine Kreuzfahrt. Luxus, Partys, neue Bekanntschaften – ich lebe das Leben in vollen Zügen. Geld spielt keine Rolle, bis es plötzlich aufgebraucht ist und meine Kreditkarte gesperrt ist. Auf einmal sind all meine Freunde verschwunden. Ich bin pleite. Um nicht vom Schiff ausgesetzt zu werden, bettle ich um Arbeit und lande als Küchenhilfe im Bauch des Schiffes.
Die besten Speisen zubereiten, aber nichts davon essen dürfen – eine Qual.

Eines Abends erwischt mich mein Vorgesetzter, als ich ein paar Reste stehle. Zur Strafe werde ich geschlagen. In dieser Nacht liege ich mal wieder wach in der kleinen stickigen Koje, die ich mit meinen schnarchenden Kollegen, teile. Das ist der Moment, in dem mir klar wird: Ich kann nicht mehr. Ich muss nach Hause.

Die Rückkehr ist demütigend. Ich habe alles verloren. Ich sehe schon die Einfahrt zu unserem Haus. Mein Herz zerspringt vor Aufregung. Ob wohl der Fingerprint für das elektrische Tor noch funktioniert? Oder ob sie ihn gelöscht haben, weil ich nicht mehr dazu gehöre? Die Sonne blendet mich. Aber sehe ich richtig? Ist das mein Vater? Es kommt mir fast so vor, als würde er noch genauso dastehen, wie er damals dastand und mir nachgeschaut hat, als ich mit dem Auto davon gedüst bin. Und er läuft mir entgegen. Ich fasse es nicht. Er drückt mich an sein Herz, so wie er es immer gemacht hat. Und dann sieht er mich an. Zuerst schaue ich weg. Ich schäme mich zu sehr, aber dann hebt er meinen Kopf, sodass ich nicht mehr anders kann, als ihm in die Augen zu schauen. Und ich schaue und schaue, aber ich finde in diesen Augen keinen Vorwurf. Ich finde nur Liebe und Freude. Und jetzt traue ich es mir auch zu sagen: “Es tut mir so leid, was ich dir angetan habe. Ich bin nicht mehr wert, zu deiner Familie zu gehören. Aber ich bitte dich, darf ich bei dir arbeiten?”

Aufgeregte Stimmen umgeben uns plötzlich. "Bist du es wirklich? Du bist wieder da!"

“Ja, endlich ist mein Kind zurückgekommen”, jauchzt mein Vater. “Bringt schnell ein neues Gewand und Schuhe."

Beschämt schaue ich an mir herunter, ja das schadet sicher nicht. Ich sehe zerlumpt aus, wie der letzte Sandler. Kurze Zeit später sitze ich frisch geduscht und in neuem Gewand am Festtisch und fühle mich wie neu geboren. Mein Lieblingsessen wird mir serviert, meine Lieblingsmusik wird gespielt. Alle umbringen mich voller Freude. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass da überhaupt kein Vorwurf ist. Alle scheinen sich einfach nur zu freuen, dass ich wieder da bin.

Oh oh, was höre ich da durch das gekippte Fenster? Einer scheint sich doch nicht zu freuen. Es ist die zornige Stimme meines Bruders.

“Ich war immer da, habe alles gemacht, was du wolltest, und du hast mir nie den Festsaal gegeben, dass ich mal mit meinen Freunden feiere und jetzt kommt dieser Fratz zurück, der dein ganzes Vermögen rausgeschleudert hat - und ich möchte gar nicht wissen was, damit gemacht hat - und du feierst ein Fest!”

Mir wird es kalt. Da höre ich die warme und beruhigende Stimme meines Vaters durch das offene Fenster:

“Hey, du bist immer bei mir und alles, was du hier siehst, alles was mir gehört, gehört auch dir. Du hast uneingeschränkten Zugang dazu. Aber jetzt, jetzt freuen wir uns, denn dein Bruder, von dem wir dachten, dass er tot ist, er ist wieder da bei uns und er lebt!”

Es tut so gut, diese Worte von meinem Vater zu hören.

 

Von Elfriede Demml erzählt beim Firmlingsgottesdienst am 30. März 2025/ Seelsorgeraum Graz-Südwest.

© 2015 Elfriede Demml - Mit Gott im Alltag

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