
MIT GOTT IM ALLTAG
Elfriede Demml | Voll Vertrauen | Leben im Rollstuhl
Soll ich, oder soll ich nicht?
Es schüttet und stürmt und ich bin bei Dunkelheit auf dem Heimweg von der Arbeit. Gott sei Dank bin ich mit meinem Regenmantel über dem Rollstuhl gut geschützt. Aber der Wind weht ihn immer wieder hoch, so dass ich doch langsam spüre, wie ich nass werde. Aber kein Problem, hauptsache es haut mir keine Äste um die Ohren. Bald habe ich es geschafft und werde zu Hause sein. Diese und ähnliche Gedanken gehen mir durch den Kopf, als ich plötzlich aus dem Augenwinkel neben mir unter dem Dach eines neu errichteten Bushaltestellen-Wartehäuschens einen Mann stehen sehe. Im ersten Augenblick denke ich, “na klar, er stellt sich unter". Dann dämmert es mir, dass er vielleicht tatsächlich auf den Bus wartet, aber ich weiß, dass diese Haltestelle noch nicht aktiv ist. Soll ich ihm das sagen? “Nein, es ist ja eindeutig, dass es schüttet und dass er sich vor dem Regen schützt", kommt das Gegenargument in mir. Aber dann habe ich doch das Gefühl, dass es gut wäre, ihn darüber zu informieren, dass diese Haltestelle noch nicht von einem Bus angefahren wird. So drehe ich mich doch noch einmal um: "Warten Sie auf einen Bus? Diese Haltestelle ist nämlich noch nicht fertig.” Er ist voll dankbar und fragt mich, wo denn dann die richtige Haltestelle wäre. Ich zeige sie ihm. Wir wünschen uns noch ein gutes nach Hause Kommen und verabschieden uns.
Als ich weiterfahre und noch mal über diese Situation nachdenke, wird mir bewusst, dass es sehr gut passieren hätte können, dass ich einfach an ihm vorbei fahre. Es hätte sehr gut sein können, dass ich ihn nicht mal wahrgenommen hätte. So oft bin ich einfach nur in meinen Gedanken versunken, wenn ich auf der Straße unterwegs bin. Und ich danke Gott, dass er mich auf ihn aufmerksam gemacht hat und mir doch noch mal einen Stups gegeben hat, dass ich ihn anspreche und ich bitte Gott, mir im Alltag noch mehr Achtsamkeit zu schenken für das, was um mich herum passiert. Denn es sind solche Kleinigkeiten, die anderen Menschen schon sehr weiterhelfen können.
Elfriede Demml, Pastoralreferentin in Graz, 23. Oktober 2025