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Nicht fahrbar

 

6. Juli 2025 Ich sitze mal wieder mit meiner Assistentin im Zug Richtung Norddeutschland zu meiner jährlichen dreiwöchigen Therapie. Dieses Jahr müssen wir öfter umsteigen als sonst. Schon bald nach dem Einstieg bekomme ich eine Nachricht aufs Handy, dass unsere geplante Zugreise "nicht fahrbar" sei, da unser nächster Zug aufgrund einer Störung umgeleitet werden müsse und sich dann der Umstieg in den übernächsten Zug nicht ausgehen würde. Es ist 10 Uhr Vormittag und an den Ort, an dem die Störung ist, sollten wir erst gegen 15 Uhr kommen. Ich spüre in mir die Einladung, zu beten, dass die Störung schon vorher behoben wird und wir ohne Probleme die ursprüngliche Strecke fahren können. Ich bete und ca. 2 Stunden später bekomme ich die Meldung aufs Handy, dass die Störung aufgehoben ist. Trotzdem leuchtet noch immer dieses bedrohliche "nicht fahrbar" auf, denn unser Anschlusszug hat über eine halbe Stunde Verspätung und so würde sich auch ohne die Störung der übernächste Zug nicht ausgehen, und das obwohl ich eh schon fast eine halbe Stunde für den Umstieg eingeplant hatte. Wir warten also recht lange auf den nächsten Zug und ich bekomme in den nächsten Stunden immer wieder diese Meldung "nicht fahrbar”. Wieder spüre ich aber in mir die Einladung zu beten, dass wir die Verspätung aufholen. Und tatsächlich, irgendwann sehe ich, dass wir nicht mehr zwei Minuten nach der Abfahrt unseres geplanten Anschlusszuges in Hamburg ankommen sollen, sondern schon eine Minute vorher. Mein Vertrauen steigt, dass wir noch mehr aufholen könnten und irgendwann sind es sogar drei Minuten Umstiegszeit - was auf einem riesigen Bahnhof wie Hamburg natürlich fast nichts ist. Aber noch sind wir nicht am Ziel und ich lege vertrauend weiterhin unsere Fahrt in Gottes Hände. Ich sage sogar etwas übermütig zu meiner Assistentin: “Es wird großartig werden!”, und ich frage mich, ob ich überheblich bin, aber irgendwie spüre ich in mir, dass der Herr mich zu diesem Vertrauen einlädt. Und irgendwann kurz vorm Ziel sind es sogar acht Minuten Umstiegszeit. Wir machen uns an der Türe bereit, damit ich sofort, wenn die Hebebühne für meinen Rollstuhl hingeschoben wird, drauf fahren kann. Ich sage dem Mann vom Mobilitätsservice, dass wir noch umsteigen wollten. Und er meint, ja, er wisse es, aber er glaube nicht, dass sich das noch ausgehen würde und er habe sicherheitshalber schon einen anderen Zug für uns reserviert. Ich frage ihn: "Können wir es wenigstens versuchen?” Er meint: “Ja, wenn Sie wollen, versuchen wir es, aber ich kann nichts versprechen.“ Ich fetze also mit meinem Rolli zum Aufzug (sofern man halt auf einem überfüllten Bahnsteig fetzen kann). Vor dem Aufzug ist eine Warteschlange von Menschen mit Kinderwägen, Koffern und Fahrrädern. Oje. Ich stelle mich dahinter und hoffe still, dass es schnell geht. Doch die Dame mit dem Fahrrad vor mir dreht sich zu mir um und fragt mich: “Haben Sie es eilig? Brauchen Sie einen Anschlusszug? Dann können Sie gerne vor mir in den Aufzug.” “Oh, das ist ja super lieb, danke!”, rufe ich. Und plötzlich weichen mir alle aus und geben mir den Vorrang, ohne dass ich vorher etwas gesagt habe.

Beim nächsten Aufzug, der zum Bahnsteig unseres Anschlusszuges führt, wartet zum Glück niemand und wir können ihn sofort benutzen. Der Mitarbeiter vom Mobilitätsservice erklärt uns, dass wir nun schnell bis ganz ans vordere Ende des Zuges laufen müssen, weil da der barrierefreie Einstieg wäre. So beginnt wieder mein Slalom durch die Menschenmenge und ich versuche dabei, unseren Helfer und meine Assistentin nicht aus den Augen zu verlieren. Gut, dass sie einen knallroten Koffer hat, der immer wieder zwischen den Menschen durchblitzt. So weiß ich, dass sie noch da ist. Am vorderen Zugende angekommen sagt uns der Lokführer, der aus dem Fenster schaut: “Der Rollstuhleinstieg ist aber heute ganz hinten.“ Oh nein, also den ganzen langen Zug wieder zurück. Inzwischen ist der Bahnsteig Gott sei Dank leerer, denn es ist nun tatsächlich kurz vor Abfahrt des Zuges. Ich fetze also wieder zurück und unser Helfer und meine Assistentin laufen mir atemlos hinterher. Gerade will die Tür zugehen, da komme ich an. Die Schaffnerin fragt: “Sind sie angemeldet?” - “Ja!” - “Na dann kommen Sie noch schnell rein.” Im überfüllten Zug angekommen, laufen mir nur Tränen der Freude und der Rührung über die Wangen. Den ganzen Tag habe ich die Meldung bekommen, dass unser Plan nicht fahrbar ist. Und er ist doch fahrbar, wenn der Herr die Wege bereitet.

Als wir dann spät abends tatsächlich im Haus meiner Therapie ankommen und dort empfangen werden, erzählen wir von unserer abenteuerlichen Fahrt. Doch als ich vor dem Einschlafen noch mal dankbar auf den Tag zurückschaue und ihn zurück in Gottes Hände lege, merke ich, ich habe nicht erzählt, dass ER es war, der den Weg bereitet hat. Ich kann es nicht beweisen, aber ich spüre es ganz deutlich.

Plötzlich wird mir klar, dass dieses Erlebnis mehr war, als ein Geschenk vom Himmel. Ja, du, Herr, liebst es, uns zu beschenken. Aber es ging hier um mehr, als diese eine Stunde längere Zugfahrt, die du uns erspart hast. Das, was hier passiert ist, gilt für unser ganzes Leben. Auch wenn uns die Welt andauernd in roten Buchstaben vorhält "nicht fahrbar - unmöglich!”, sagst du uns: “Für mich ist nichts unmöglich. Vertrau mir.” Du liebst es, uns zu beschenken. Aber Du möchtest, dass wir mitmachen. Wir dürfen dir mit unserem Gebet und mit unserem Vertrauen, dass du alles im Griff hast, den Weg bereiten und so kannst du uns den Weg bereiten. Du willst uns alles geben, um das wir dich in deinem Namen bitten und so brauchen wir ein hörendes Herz, damit wir spüren, wenn du uns anstupst und sagst: "Bitte und ich werde es tun.”

 

Elfriede Demml, 6. Juli 2025

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© 2015 Elfriede Demml - Mit Gott im Alltag

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